Bonaire Die Taucher-Insel
Zwei Taucher im Paradies, mehr Flamingos als Menschen und wie das Wetter unserem Aufenthalt ein jähes Ende bereitet.
Bonaire, das B der ABC-Inseln (Aruba, Bonaire und Curaçao), die westlichste Inselgruppe der kleinen Antillen. Sie gehört zu den "besonderen Gemeinden" der Niederlande und somit zu deren Königreich. Die Landessprache ist Papiamentu, eine Kreolsprache zusammengesetzt aus Spanisch, Portugiesisch und Holländisch. Die Insel ist seit den 70er Jahren geschützt und seit den 90ern offiziell als Nationalpark deklariert. Man darf hier also nicht ankern, sondern nur an Bojen festmachen, um den Meeresboden zu schützen. Die Gewässer um Bonaire gehören zu den top 10 Tauchplätzen weltweit. Das wollen wir natürlich auschecken 😉🤿🐟
Hallo Bonaire!
Nach fast drei Wochen im Korallenarchipel Los Roques sind wir wieder auf See. Es ist ein kurzer Schlag: etwa 80 Seemeilen liegen vor uns. Wir haben uns entschieden, über Nacht zu fahren, damit wir am Morgen ankommen. Nachtschichten sind etwas besonderes. Sie können magisch sein, aber auch manchmal gruselig. Bei uns an Bord gibt es in der Nacht zwei Regeln: 1. Die Person die draussen Wache hält, muss sich einklinken. Wir tragen nachts Schwimmwesten mit einem Karabinersystem daran, ein sogenannter Life-Belt. Damit sind wir immer mit dem Schiff verbunden und das Risiko eines Mensch-über-Bord Szenarios ist viel, viel kleiner. Regel Nummer zwei besagt: Wer das Cockpit verlassen muss um z.B. auf dem Vorschiff etwas zu erledigen, weckt mindestens eine andere Person.
In dieser Nacht haben wir keine Komplikationen und kommen wir geplant am frühen Morgen in Bonaire an. Von weitem sehen wir ein Schiff, das wir kennen: "Das ist doch Martin und seine Amélie!", bemerkt Thierry und zeigt auf einen Mann, der gerade in sein Dinghy steigt. Und tatsächlich, es ist wirklich Martin. Kennengelernt haben wir in in der Werft in Trinidad. Er hilft uns beim festmachen an der Boje neben ihm und wir reden kurz miteinander. Momentan segelt Kiki bei ihm mit, die seit mehr als 20 Jahren hier in Bonaire lebt. Die beiden laden uns ein, sie bei der für heute geplanten Inselrundfahrt zu begleiten. Das nehmen wir gerne an, müssen aber erst noch den üblichen Gang zu den Behörden erledigen, bevor wir uns frei an Land bewegen dürfen.



Im Zeichen der Flamingos
Eines merken wir bald: Bonaire steht auf Flamingos! 🤣 Logos, Statuen, Namen, Flamingos überall. Das Tier hat hier einen besonderen Status, denn Bonaire ist einer der wenigen Orte, auf denen ganzjährig Flamingos zu finden sind. In den 1980er Jahren gab es sogar um ein vielfaches mehr Flamingos als Einwohner. Heute ist das leider nicht mehr so, wobei man trotzdem noch Flamingos in ihrer Brutstätte in Lac Bay beobachten kann 🦩.
Wir steigen bei Kiki ins Auto und starten in unsere Rundfahrt. Es ist kurz nach dem Mittag und ich bin todmüde - die vergangene Nacht auf See liegt mir noch schwer in den Knochen. Ich freue mich aber sehr auf den Nachmittag und meine Müdigkeit ist bald vergessen. Kiki erklärt uns viel über die Insel und ihre Bewohner. Bald wird klar, der Einfluss der Niederlande kommt nicht bei allen gut an. Oder besser gesagt, das Verhalten der auf Bonaire lebenden Holländer und Holländerinnen lässt anscheinend zu wünschen übrig. Und ehrlich gesagt, das spürt man auch, wenn man durch die Strassen der Städte geht. Es fehlt der freundschaftliche, offene Vibe den wir bisher in der Karibik erlebt haben. Ich würde sogar sagen, die Fronten sind ein wenig verhärtet. Aber was weiss ich schon, ich habe ja nur wenige Tage auf dieser Insel verbracht 😉
Wir geniessen den Nachmittag an Land, schauen, hören zu und lernen. Nach Sonnenuntergang kickt dann aber doch eine unausweichliche Erschöpfung ein und so fallen wir nach diesem langen, schönen Tag zufrieden in unsere Kojen.






Bonaire von unten
Natürlich sind wir nicht nur zum Flamingos stalken auf diese Insel gekommen. Wir wollen tauchen! 🤩 Um die achzig Divespots erstrecken sich entlang der Küste und um klein Bonaire. Das coole dabei ist: all diese Divespots sind gut markiert, viele davon können mit dem Auto erreicht werden. Oft hat es auch Bojen, an denen man festmachen kann, falls man mit dem Boot anfährt. Es gibt Bücher und Karten, die die Spots beschreiben. Das ist super speziell, denn somit hat der Otto-Normal-Taucher die Möglichkeit tauchen zu gehen, ohne jedes Mal eine Tauchschule zu begleiten. Natürlich sind Ausflüge mit Tauchschulen super, weil die Guides das Gebiet bestens kennen und auch viele Informationen teilen können. Aber Tauchen in diesem Rahmen ist oftmals kein günstiges Unterfangen. Wir konnten in Grenada gebrauchte Westen und Atemregler von meiner Tauchschule abkaufen und brauchen somit nur noch Tanks. Diese können wir für 12 Euro am Tag in einem Shop mieten. So günstig waren wir noch nie tauchen! 😍 Mit dem Dinghy können wir die Spots in der Nähe problemlos anfahren. Somit heisst es, dive-work-sleep-repeat 😉
Die Unterwasserwelt ist auch wirklich schön und artenreich. Das Wasser ist super klar. Einmal plumsen wir einfach direkt vom Heck der Cervino ins Wasser und tauchen am Riff hinter uns. Auf dem Rückweg haben wir noch ein Bisschen Luft übrig und befreien in 15 Minuten mit einem Schaber das Unterwasserschiff von Algen. Ein Job der sonst zu zweit über eine Stunde dauert.😅
Wir sehen allerlei Korallen, Schildkröten, grosse und kleine Fische. Von Haien bleiben wir diesmal verschont 😉 Dafür gehen wir auf Tuchfühlung mit einem Barracuda 😵 Ein sehr eindrückliches Erlebnis. Schon von weitem sehe ich den grossen Raubfisch am Boden kauern. 'Was macht der denn da?', denke ich noch und schaue fragend zu meinem Tauchbuddy Thierry. Eines ist sicher: der hat uns im Visier! In ruhigen Bewegungen schwimmen wir vorbei, als er plötzlich vom Boden aufsteigt und wie ein Pfeil auf uns zuschnellt. Im letzten Moment dreht er ab, schiesst an uns vorbei und in einem grossen Bogen wieder zurück an seinen Startpunkt. Thierry und ich schauen uns an. Uns beiden wird klar: selbst wenn wir wollten, könnten wir einem solchen Fisch niemals ausweichen. Sobald wir uns in ihr Territorium begeben, sind wir chancenlos. Zum Glück stehen Menschen nicht auf dem Speiseplan von Fischen 😉
Zwischen tausenden von Fischen
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Wir verbringen nochmal einen Tag mit Kiki und Martin. Sie nehmen uns mit in den Süden der Insel, so sehen wir noch ein Bisschen mehr vom Festland. Ziel des Ausflugs ist aber auch ein Tauchgang an einem der Lieblings Dive-Spots von Kiki, sie hat hier mehrere Jahre als Tauchlehrerin gearbeitet.
Zur Zeit treibt sich hier auch gerade ein sogenannter "Bait-Ball" rum, also ein Schwarm von Fischen, der sich zu einem Ball formiert, um sich vor Angreifern zu schützen. Niemand weiss genau, wo er sich befindet. An unserem letzten Tauchgang im Süden der Insel finden wir ihn, oder er findet uns! In einer Tiefe von ca. 5m schiessen plötzlich mehrere Sekunden lang hunderte von Fische an uns vorbei. Verfolgt werden sie von drei grossen, grimmig dreinschauenden Tunas. Was für ein Schauspiel!










Vom Winde verweht
Oftmals wird das Leben auf einem Segelboot mit "Freiheit" verbunden. Segeln wohin man will, wann man will, das muss der Traum sein! Die Realität jedoch sieht ein Bisschen anders aus. Zweifellos ist das Freiheitsgefühl auf See riesengross, hat man doch nichts auf der Bildfläche als die blauen Weiten des Wassers und des Himmels. Jedoch ist man nicht ganz so frei in der Reiseplanung, wie man es vielleicht bei einem Leben an Land sein kann. Der Wind und das Wetter bestimmen immer unseren Rhythmus, und dieses Mal soll es nicht anders sein.
Thierry und ich sitzen gerade am Tisch der Tauchschule, in der wir die Tauchflaschen mieten. Starlink funktioniert auf den ABC Inseln nicht, deshalb mussten wir zum Arbeiten eine andere Lösung finden. In der Tauchschule hat es gutes Wifi, und die netten Besitzer haben uns erlaubt, uns abends hier im Gemeinschaftsraum auszubreiten. "Vielleicht sollten wir mal wieder die Windvorhersage anschauen", sage ich zu Thierry, "Wenn ich mich richtig erinnere, nimmt der Wind in den nächsten Tagen ziemlich zu". Gesagt, getan, und Recht behalten. Der Wind steigt in ein paar Tagen auf um die 30kn an und bleibt dann erst mal so. Normalerweise stört uns das nicht sehr, solange der Wind von hinten kommt, kann man das gut aushalten. Die Passage die vor uns liegt, ist aber keine 0815-Passage. Uns steht eine Prüfung bevor.
Das Kapp des Schreckens
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Um von den ABC-Inseln nach Kolumbien zu segeln, muss man am Capo de la Vela vorbei. Das ist der nördlichste Punkt des Südamerikanischen Kontinents. Durch die Sierra Nevada im Norden Kolumbiens, deren über 4000 Meter hohen Gipfel fast hinunter bis an die Küste des Ozeans reichen, ist dieses Küstengebiet eine Wetterküche vom feinsten. Durch eine ungünstige Kombination aus Strömungen, starken Passatwinden und heftigen Fallböen aus den Bergen kann dieser Abschnitt für Segler auch schon mal richtig gefährlich werden. Nicht zu unrecht gehört das Capo de la Vela deshalb zu den 100 schwierigsten Segelpassagen weltweit. Juhu, das kann ja heiter werden. Eines steht fest: wir wären besser gestern losgefahren, als morgen. Wieder einmal geht alles viel zu schnell. Wir sind doch erst seit 5 Tagen hier? Es gibt doch noch so viel zu sehen? Hätte der Wind eine Stimme, würde er sagen: "Nicht mein Problem. Ihr fahrt jetzt, oder erst in zwei Wochen". Natürlich könnten wir uns problemlos noch zwei Wochen in den ABC Inseln rumtreiben, aber dann kommt unsere Zeit in Kolumbien zu kurz. Und darauf freut sich Thierry schon seit Anfang Jahr. Er ist aber sichtlich bedrückt davon, wie traurig ich bin, verfrüht aus diesem Tauchmekka aufbrechen zu müssen. Nun heisst es, Gefühlsduselei beiseite und rational denken: Tauchen können wir noch oft auf unserer Reise, aber 4000m hohe Berge werden wir so schnell keine mehr finden.
Das Wetterfenster ist jetzt schon nicht mehr ideal, der Wind ist stärker als wir uns es für diese Passage gewünscht hätten. Und je länger wir warten, desto ungemütlicher wird das. Nach einer Nacht drüber schlafen entscheiden wir: wir brechen auf und hoffen, in keine bösen Überraschungen zu rennen.


Am frühen Abend lassen wir die Insel Bonaire hinter uns, und fahren dem Sonnenuntergang entgegen. Ich habe Tränen in den Augen. Gerne wäre ich noch ein paar Tage hier geblieben, doch möchte ich auch Thierry seinen Wunsch erfüllen können und genug Zeit haben, um Kolumbien zu erkunden. Und ich habe ein Bisschen Angst. Die Passage die vor uns liegt, schüchtert uns beide ein. Aber nur ein Bisschen, denn die Vergangenheit zeigt, dass wir vieles handeln können. Schwierig wird es nur, wenn die Vorhersage nicht der Realität entspricht. Angesagt sind Böen bis 30kn, und Wellen um die 3m in einem 6 Sekunden Abstand. Das lässt nicht mehr viel Spielraum nach oben zu, sollten wir stärkere Bedingungen antreffen. Ich verspüre aber auch Mut und Vorfreude auf Berge und ein Bisschen Land-Leben. Seit mehr als einem halben Jahr waren wir in keinem Hafen mehr und ich freue mich auf eine ausgiebige, warme Dusche.
Vier Tage und vier Nächte liegen zwischen uns und diesem kleinen Funken Luxus. Wir merken schon bald, dass der Wind stärker ist als angesagt. Das ist eigentlich cool, denn wir kommen super voran. So rückt aber auch das Capo de la Vela näher und wir beide sind nervös. Bereits jetzt haben wir konstanten Wind über 25 Knoten. Wir fahren an Curaçao und Aruba vorbei und sind nun im offenen, karibischen Meer. Die Wellen werden höher.
Was uns am Capo de la Vela wirklich erwartet und wie viele Wellen ins Cockpit der Cervino brechen?
Das werdet ihr bald rausfinden...