Wie alles begann der Traum von einem Leben auf See
Am liebsten würde ich mit meinem eigenen Schiff die Welt bereisen - hättest du da Lust drauf?
Das war die Frage von Thierry an mich, per Telefon. Er, irgendwo in Französisch Polynesien rumhängend, ich in Büren an der Aare im Lesesessel sitzend. "Prinzipiell schon" war meine Antwort.
So kommt es, das Thierry seine Reise von Panama nach Ecuador und über den Pazifik bis Tahiti nach elf Monaten beendet und zurück in die Schweiz fliegt. Aber lange will er hier nicht verweilen, denn uns hat das Reisefieber gepackt! Der Traum des Freiseins - neue Länder entdecken, neue Sprachen lernen. Ein Traum, den wir beide teilen. Für ihn, der nun neun Monate auf dem Segelschiff eines Freundes verbracht und einen der grossen Ozeane unserer Erde überquert hat, ist die Vision, mit dem eigenen Schiff die Welt zu bereisen, zum Greifen nahe. Für mich klingt das alles erst mal nach Abenteuer, kenne ich doch das Leben auf See nur von YouTube Kanälen und Thierrys Erzählungen. Ich weiss jedoch, dass ich das Meer liebe, obschon ich seine Geheimnisse bisher nur unter der Wasseroberfläche erkundet habe.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Das ist mal ein Motto, Freunde. Aber gesagt, getan! Im Internet schauen wir uns Schiffe an, die zum Verkauf stehen. Wir machen Businesspläne, reduzieren unsere Fixkosten aufs Minimum. Mein so sehr geliebtes, kleines Reich räume ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ein paar der Möbel kommen nach Münchenstein in den Dachstock, was nicht mehr von Gebrauch ist wird verkauft oder verschenkt. Thierry hat es diesmal ein wenig einfacher, hat er diesen Schritt doch bereits vor einem Jahr gemacht. Da wir ja noch kein Schiff haben, muss auch das Büssli noch gepimpt werden, damit wir einigermassen Komfortabel darin Wohnen können. Wir kaufen Kisten, basteln Vorhänge und montieren eine Dachbox (reserviert für Thierrys Kite-Material). Und dann kommt das schwierige: Was nimmt man denn so alles mit auf eine Reise ins Unbekannte? Gute Laune, gute Schuhe... wenn es nur so einfach wäre 😄
So kommt es, das wir Ende Juni des Jahres 2021, bepackt mit unserem wichtigsten Hab und Gut und einer Linzertorte von Thierry's Mama in Münchenstein ins Büssli steigen und losfahren. Wohin? Erst mal nach Frankreich. Dort haben wir ein Rendez-vous mit Xavier, auf den wir im Internet gestossen sind. Nach einem Jahr Auszeit, indem er eine Atlantikrunde gedreht hat, hat seine Feeling ausgedient und er möchte sie in gute Hände weitergeben. Nun ja, für mich sehen unsere Hände jedenfalls ganz anständig aus.
Vorbei an der Atlantikküste Frankreichs
So cruisen wir also durch Frankreich, vorbei an den Chateaux de la Loire und der Tour de France nach Westen. In "Les sables d'Olonne" weht uns unsere erste Meeresbrise um die Nase. Hallo Ozean, ich glaube, wir werden uns noch besser kennenlernen. Die Atlantikküste Frankreichs zieht uns in ihren Zauber, die Türme beim Eingang von la Rochelle, die unglaubliche Sanddüne in Pyla. Im riesigen Hafen von Arcachon treffen wir Xavier. Seine Feeling liegt draussen vor Anker, ein Liegeplatz in der Marina ist zu teuer. Mit seinem Zodiac fahren wir aus dem Hafenbecken und wenige Minuten später stehe ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Segelschiff auf dem Meer. Bevor ich Thierry kennengelernt habe, war ich ja noch gar nie segeln. Xavier und seine Freundin Manon zeigen uns ihr Schiff, wir machen eine kleine Ausfahrt und 3h später stehen wir wieder auf dem Quai des Hafens. Wir brauchen ein paar Tage des Hin- und Her-Argumentierens um uns schliesslich gegen den Kauf von Xavier's Schiff zu entscheiden. Irgendwie ist der Funke nicht übergesprungen. Aber wir haben ja Zeit!
Das haben wir wirklich. Also fahren wir runter nach Biarritz und den Pyrenäen entlang, mit einem Zwischenstopp in Andorra, nach Leucate. Hier sind erst Mal drei Dinge angesagt: Arbeiten, Schiffli-Besichtigungen und KITESURFEN! Fast zwei Wochen gehen vorbei bis eine Anzeige auf Facebook unsere Pläne in eine neue Richtung lenkt. Wir machen noch einen Stopp am Kite-Spot in Beaduc und fahren innert zwei Tagen von Südfrankreich nach Süditalien. Napoli, um genau zu sein. Ivan's Océanis hat es uns angetan, nach der Besichtigung schweben wir auf Wolke 7. Ist das der Funke, der bei Xavier gefehlt hat? Spätestens nach der Probefahrt wissen wir: ja! Die Verhandlungen dauern, und so verbringen wir einen paar Wochen Stellplätzen in der Gegend. Nach ewigem Informations Hin- und Her-Geschiebe und Bürokratiehustle unterschreiben wir schliesslich am 08. September 2021 in Castellammare di Stabia den Kaufvertrag unseres neuen zu Hauses. Krass, wer hätte das gedacht.
Auf ins Abenteuer...